Modell zur Darstellung der kognitiven Prozesse des Menschen und deren Einflußgrößen

 

 

 

 

Inhalt:

 

1. Einleitung

 

2. Definition wichtiger Begriffe

 

3. Beschreibung des Modells

 

 

 

1. Einleitung

 

Warum wurde dieses Modell erstellt?

Bei der Planung von Kursen zur Erweiterung des Handlungspotentials von Autofahrern stellte sich mir das Problem, daß es kein brauchbares Verhaltensmodell des Autofahrers gibt, mit welchem der Ausbilder, auf einen Blick, die Wirkung und die Ursachen der Verhaltensbeeinflussung seines Trainings auf den Menschen richtig einordnen kann. Am unpraktikabelsten erwiesen sich u.a. die Regelkreismodelle von Briggs, Durth und Burkardt, da in diesen die für den Ausbilder so gebräuchlichen Begriffe wie Erfahrung, Emotion, Konzentration, Motivation, Kondition und Können nicht einzuordnen sind. Auch grundsätzliche Erkenntnisse über das Lernen und Verhalten von Menschen, die ja bei jedem Entwurf von Trainings berücksichtigt werden, sind kaum integrierbar. Eine Ausnahme stellt das Modell von Rockwell (1972) dar, dem ich jedoch nicht ganz zustimmen kann.

Aufgrund dessen stellte ich folgenden Anforderungskatalog für die Erstellung des Modelles auf.

 

Das Modell sollte:

- Einen Überblick über die im Menschen liegenden verhaltenswirksamen Einflußgrößen geben,

- Den Ausbilder in die Lage versetzen, Probleme des menschlichen Verhaltens und dessen mögliche Ursachen richtig ein  zuordnen,

- Den Ausbilder befähigen, Programme zur Verhaltensmodifikation zu planen und die dabei auftretenden Probleme im voraus abschätzen können,

- Den Ausbilder auch die Möglichkeit geben, die anderen Modelle, in Bezug auf mein Modell einordnen zu können und nicht auf sie verzichten zu müssen.

 

 

2. Definition wichtiger Begriffe

 

In der verkehrspsychologischen, arbeitswissenschaftlichen und anderweitiger Literatur findet man eine Vielzahl von Definitionen für ein- und dieselben Begriffe. Um nun eine eindeutige Kommunikationsbasis zu haben, sind hier die für mich gültigen Definition aufgeführt.

 

 

Gefahr:

- Möglichkeit der Schädigung von Menschen oder Sachgütern

- Bestimmte Arten von Energien

- Kennzeichnung erhöhter Gefährdung und/oder einer höheren Auftretenswahrscheinlichkeit von Unfällen

 

Gefährdung:

- Möglichkeit der Schädigung von Menschen oder Sachgütern

- Bezeichnet das Zusammentreffen einer Gefahr mit dem Menschen oder einem Gegenstand

 

Sicherheit:

- Maß an Gewißheit, daß die möglichen Schäden nicht auftreten

 

Unfall:

- Unvorhergesehen eintretendes, zeitlich begrenztes Ereignis, das eine Körper- oder Sachbeschädigung mit sich führt

 

Gefahrenfall:

- Unvorhergesehen eintretendes, zeitlich begrenztes Ereignis, das die Gefahr einer Körper- oder Sachbeschädigung mit sich führt

- Oberbegriff von Unfall

 

Störfall:

- Unvorhergesehen eintretender, zeitlich begrenzter Ereignisablauf in einem technischem System, bei dem nicht von vornherein auszuschließen ist, daß ein Gefahrenfall vorliegt

 

Zwischenfall:

- Unerwünschter, unvorhergesehen eintretender, zeitlich begrenzter Ereignisablauf ("gestörter Betrieb") einem technischen System

- Oberbegriff von Störfall

 

Konflikt:

- Unvorhergesehen eintretendes, zeitlich begrenztes Ereignis, welches den Zustand kurz vor einem Unfall kennzeichnet. Dem aber nicht zwingend ein Unfall folgen muß.

 

Modell:

- Themenzentriertes Geflecht eines Gedankengebildes

 

 

Aussagen zur Verwendung des Verhaltensbegriffes

 

Verhalten:

- Art u. Weise der Bewegungskoordination, verbalen Aussagen und nonverbalen Darstellung

- Kann unterschieden werden in Richtig und Falsch

- Falsches Verhalten wird Fehlverhalten genannt, welches in aktives und passives Fehlverhalten unterschieden wird

Diese Einteilung läßt sich nur treffen, wenn man die Ursachen und den Entscheidungsprozeß, der zu dem bestimmten Verhalten führte, kennt.

 

 

Beispiel:

Ein Kraftfahrer biegt, ohne die Blinkeinrichtung betätigt zu haben, in eine Nebenstrasse ab.

Dieses Verhalten ist ganz klar falsch und demzufolge ein Fehlverhalten. Hat der Kraftfahrer dies bei vollem Bewußtsein getan, z. B. mit der Begründung "Es ist ja sowieso kein anderes Fahrzeug in der Nähe.", so ist dies aktives Fehlverhalten. Hat der Kraftfahrer aber an die hohen Benzinpreise gedacht und deswegen vergessen zu blinken, so ist dies passives Fehlverhalten.

 

 

- Kann unterschieden werden, in ungefährliches und gefährliches Verhalten

 

 

Verhaltensweisen können erst dann als "gefährlich" klassifiziert und in ihrem Gefährlichkeitsgrad bestimmt werden, wenn klar ist, in welchem Zahlenverhältnis sie zu den unfallfreien Situationen stehen, in denen die gleichen Verhaltensweisen nicht zu Unfällen geführt haben (Klebelsberg, 1977).           

 

 

Ausgangspunkt der Betrachtung des Fahrerverhaltens sind meist Verhaltensweisen, welche zu Konflikten bzw. Unfällen führen. Diese sogenannten Fehlverhaltensweisen sind bei der Kfz-Bedienung auf manuelle Handlungsweisen beschränkt. Auch keine Handlung ("Nichtstun") kann als Fehlverhalten angesehen werden, wenn es als unfall- oder konfliktauslösend bzw. -steigernd angesehen wird.

 

Oft wird  der gravierende Fehler gemacht, der polizeilich ermittelten Unfallursache kausal einem bestimmten Fehlverhalten des Fahrers zuzuordnen. Dies läßt sich in keinem Fall beweisen! Durch folgende Skizze möchte ich diesen Sachverhalt veranschaulichen.

 

 

 

 

 

 

 

 

Die von der Polizei erfaßten Fehlverhaltensweisen von Fahrzeugführern beziehen sich fast nur auf die Bewegungszustände des Kfz (bis auf die Angaben zur mangelnden Verkehrstüchtigkeit). Wie nun aber ganz leicht einzusehen ist, sind die Bewegungszustände des Kfz eine Folge von komplexen, manuellen Handlungen, welche wiederum auf einem komplexen Informationsverarbeitungs- und Entscheidungsprozeß beruhen,so das sich die möglichen Ursachen immer nur abschätzen lassen.

 

Beispiel:

 

Ein PKW wird von der Polizei, abseits einer Kurve, im Straßengraben aufgefunden. Die Angaben eines Unfallzeugen (Der Fahrer sei sehr schnell gefahren) und der Fahrbahnzustand (Nass) lassen die Beamten auf die Unfallursache "Nichtangepaßte Geschwindigkeit" schließen. Diese Schlußfolgerung ist, bezogen auf den Bewegungszustand des Kfz, auch nicht falsch. Nur läßt dies nicht den direkten Schluß zu, daß der Fahrer eine falsche Entscheidung getroffen hätte. Vielleicht hat er ja gar keine Entscheidung getroffen sondern einen anderen Radiosender gesucht.

 

Wie hat der Fahrer sich verhalten? Was hat er gemacht?

 

Die Frage nach dem aktiven oder passiven Fehlverhalten ist für die Ausbildung von Fahrern als auch für die Verkehrssicherheitswerbung von großer Bedeutung. Denn Unaufmerksamkeit gilt eigentlich gar nicht als Fehler

"Das ist ein typisch menschlicher Zustand." "Man ist halt mal unaufmerksam.".

 

Die von der Polizei erfaßten Fehlverhaltensweisen lassen sich wie folgt grob klassifizieren in:

- Nichtbeachten von Vorschriften

- Fahrphysikalischer Gesetzmäßigkeiten

- Mangelnde Fähigkeit, sich in (nichtgeregelten) Verkehrssituationen zurechtzufinden

 

Egal wie auch immer die Fehlverhaltensweisen eingeteilt werden, Ausgangspunkt für die Bewertung des Fahrers sind die durchgeführten und/oder unterlassenen manuellen (Bedien-) Handlungen.

Interessant für die Fahrer-Ausbildung sind nun unter anderem folgende Fragen:

 

- Welche Möglichkeiten bietet die Unfallstatistik oder andere Unterlagen, zur Klassifizierung der manuellen Handlungsabläufe in Verkehrssituationen, welche zu Konflikten bzw. Unfällen führen?

 

Diese manuellen Handlungsabläufe würden dann als Ausgangspunkt für Untersuchungen zur Entstehung derselben und auch für die Überprüfung des Erfolges von Fahrerschulungen dienen.

 

- Welche Möglichkeiten zur Beeinflussung des Verhaltens eines Fahrers gibt es?

 

 

3. Beschreibung des Modells

 

Dem Modell liegt die Erkenntnis zugrunde, das innerhalb der Menge des menschlichen Verhaltens auch eine (unbestimmte) Menge an Fehlverhalten existiert. Aus diesem Fehlverhalten können Unfälle oder Konflikte entstehen.

 

 

Es wird weiterhin angenommen, das die Sinnesorgane Informationen an das Gehirn liefern, welches wiederum die Sinnesorgane und die menschliche Muskulatur beeinflußt.

 

 

Das Gehirn in der hier dargestellten Form wird als informationsverarbeitende (Rechner) und informationsspeichernde Einheit (Speicher) gesehen.

 

Das Modell zur Darstellung der kognitiven Prozesse des Menschen und seine Einflußgrößen ermöglicht nun einen tieferen Blick in das Gehirn.

 

 

 

 

Auf den Menschen wirken unzählige visuelle, akustische, kinästhetische (Beschleunigungssinn) und haptische (Tastsinn) Einflüsse, von denen aber maximal 100 bis 160 vom Gehirn pro Sekunde verarbeitet werden können. Diese Signale werden zu einem Bild zusammengesetzt, was klassifiziert und abgespeichert wird. In der darauffolgenden Bildauswertung werden unter Berücksichtigung verschiedener Kriterien (zum Beispiel Risikohomöostase) Entscheidungen getroffen und in entsprechende Handlungen oder bewußt keine muskuläre Aktivität (Stillhalten) umgesetzt.

 

Durch den Menschen erfolgt auch eine Bewertung der Folgen einer erfolgten oder unterlassenen Handlung, was zum Festsetzen oder Ändern vorhandener Kriterien sowie Integration neuer Kriterien führen kann.

 

Welche Bedeutung hat die Erfahrung innerhalb dieses Modells und wie kann man sie formulieren?

 

Erfahrung:

- Wissen und die Bewertung dessen

- Fähigkeit Signale richtig zu bewerten

- Fähigkeit Signale in Bilder umzusetzen, diese Bilder zu klassifizieren und potenzielle Entwicklungen in der Bildveränderung abzuschätzen

- Anzahl der Entscheidungskriterien und der Umgang mit ihnen

- Anzahl bereits gespeicherter Bilder

 

 

Anwendung des Modells zur näheren Analyse des Fehlverhaltens

 

- War eine Information nicht verfügbar?

Kraftstofftankstandsanzeige zeigte einen vollen Tank an, obwohl dieser nahezu leer war.

- Wurde der Blick auch dorthin gewandt, wo der erfahrene Kraftfahrer ihn hin gewandt hätte?

Fahrer blickte vor dem Wechsel auf die linke Fahrspur nicht nach links und dann ...

- Wurde die Information erfasst aber nicht korrekt ausgewertet?

Fahrer sah die rot leuchtende Öldruck-Kontrollampe und ignorierte sie.

- Wenn eine Information vom Fahrer nicht korrekt ausgewertet wurde, so muss der Informationsverarbeitungsprozess genauer hinterfragt werden.

-- Was dachte der Fahrer, als er diese Information bekam? Wie bewertet der Fahrer welche Signale/Reize? ...

- Wurde eine falsche Entscheidung zur Gefahrenabwehr getroffen?

- Wurde die richtige Entscheidung zur Gefahrenabwehr getroffen, diese aber nicht richtig umgesetzt?

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